GRAD
Kuttenberger Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts

Einzelne Blätter; Fragmente

Neben ganzen Büchern blieben in Kuttenberg etliche einzelne Blätter und Bruchstücke erhalten, die ursprünglich Bestandteile von Gradualen oder anderen Notenbüchern waren. Ihre Schicksale unterscheiden sich, in den meisten Fällen jedoch wissen wir nicht, von wo sie an ihren gegenwärtigen Ort gelangt sind. Es ist nicht anzunehmen, dass sie alle aus Kuttenberg stammen. Einige befinden sich auf den Innenseiten der Buchdeckel neuerer Bücher und wurden somit Bestandteil des Einbands. (Pergament war ein kostbares Material und so kann man ältere Blätter auch in mittelalterlichen Büchern finden). Andere sind vermutlich Überbleibsel von Büchern, die in der Zeit der Gegenreformation und insbesondere zur Zeit der Josephinschen Reformen vernichtet wurden, als die Literarischen Bruderschaften aufgelöst und die Graduale blattweise als Packpapier verkauft wurden. Zwar handelt es sich um unscheinbare Überreste, aber trotzdem sollte man ihnen gebührende Aufmerksamkeit entgegenbringen, denn sie können von historischem und künstlerischem Wert sein.


1. Pergament-Doppelblatt (Museum Kuttenberg). – aus dem Antiphonar. Seine Entstehungszeit lässt sich schätzungsweise um die Wende des 13. und 14. Jahrhundert datieren. Man kann von einer tschechischen Provenienz ausgehen, sein Inhalt gehört offensichtlich zum sog. Prager Ritus [3, 12].
2. Pergamentblatt (Staatliches Kreisarchiv Kuttenberg) – enthält einen Introitus zum Namenstag des hl. Michael. Das Alter kann auf die 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts geschätzt werden [12].
3. Pergamentblatt - wird im Magazin des Tschechischen Silbermuseums in Kuttenberg aufbewahrt. Es beinhaltet einen Introitus zum Namenstag des hl. Stephan. Als Entstehungszeit könnte man den Beginn des 15. Jahrhunderts (?) annehmen [12].
4. Das Titelblatt eines unbekannten Graduales war aus einer privaten Sammlung in Wien bekannt, zurzeit gilt es als verschollen. Das Blatt beinhaltet eine ganzseitige Abbildung über das Leben in der Bergstadt und knüpft hiermit nach nicht allzu langer Zeit an das Kuttenberger Graduale (Wien). Es handelt sich allerdings um die Arbeit eines anderen Illuminators. Womöglich war es der Buchmaler, der das Smíšek-Graduale fertig gestellt hat [19]. Die Abbildung zeigt noch einen weiteren Bereich der Rohstoffverarbeitung – die Aufbereitung in der Erzhütte, die Arbeit der Münzer und die künstlerische Bearbeitung des Silbers. Im Vordergrund des Blattes sieht man einen stilisierten Blick in den Welschen Hof mit seinen Münzwerkstätten [18].

detail - Hutte
5. Zwei Papierblätter befinden sich im Magazin des Silbermuseum in Kuttenberg. Als Entstehungszeit wurde das 16. Jahrhundert festgelegt. Möglicherweise handelte es sich um eine instrumentale Komposition. (Auf den Rändern stehen unter anderem in Renaissanceschrift verfasste Notizen über den Kauf eines Pferdes.) [3].

Kaňk. graduál: Poprava kutnohorských
havířů u Poděbrad.
6. Fragmente des Kaňker Graduales werden im Nationalmuseum aufbewahrt. Es enthält ganzseitige figurale Abbildungen: Die Hinrichtung der Kuttenberger Bergleute bei Poděbrady, die Hinrichtung der Kuttenberger Bergleute bei Křivoklát und die Verbrennung des Meisters Jan Hus. Die Bruchstücke wurden mit dem Kaňker Graduale identifiziert, das die Gemeinde Kaňk in den Jahren 1559-1561 in Auftrag gegeben hatte. Der Schreiber war Adam Kazybaba. Wegen seines utraquistischen (hussitischen) Inhalts ließ der oberste Münzmeister Wilhelm von Wrzessowitz (Vilém z Vřesovic) das Graduale 1615 vernichten (nachdem im Jahr 1613 das Graduale der St. Barbarakirche vernichtet wurde). Es gibt eine Hypothese, die besagt, dass das Graduale durch das Herausschneiden von „unpassenden“ Illuminationen seiner Vernichtung entging und dann im Jahr 1673 aus Not verkauft wurde [5]. Historische Quellen verweisen darauf, dass „die Kanker zwecks Ausbesserung des Kirchturms ein Graduale verkaufen wollten, der Kuttenberger Erzdekan dieses jedoch wegen des „unangebrachten“ Inhalts in Prag blattweise verkauft hat“. Ich bin allerdings der Ansicht, dass es sich nicht unbedingt um dasselbe Graduale gehandelt haben muss [13]. (Angeblich existierte hier auch ein lateinisches Graduale mit 490 Blättern, möglicherweise gab es noch weitere. [21])

Wie die Fragmente überliefert wurden, ist nicht bekannt. In die Bibliothek des Nationalmuseums gelangten sie im Jahr 1850 aus dem Nachlass des Grafen Franz von Sternberg.
CANTICA 2006. Kontakt: kafka@email.cz