GRAD
Kuttenberger Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts

Die Handschriften des Sedletzer Klosters


Antiphonar: Die Frauen am leeren Grab

In der zweiten Dekade des 15. Jahrhunderts ließ der Abt des Klosters von Sedletz (Sedlec) Jakob eine Sammlung liturgischer Handschriften anfertigen, die er in der bedeutendsten Prager Buchmalerwerkstatt jener Zeit ausschmücken ließ. Diese wurde die Werkstatt der Meister des Martyrologiums genannt. Von dieser Schriftensammlung blieben nur Fragmente eines Antiphonars und eines Graduales erhalten. Die vom Sedletzer Abt Jakob in Auftrag gegebene Handschrift des Antiphonars wurde im Jahr 1414 fertig gestellt. Ein Schreiben aus dem 16. Jahrhundert belegt, dass das Antiphonar während der Hussitenkriege in das österreichische Zisterzienserkloster Lilienfeld gelangte, von wo es der Sedletzer Abt Klement im Jahr 1506 zurückkaufte. Es handelt sich um den Torso der ursprünglichen Handschrift. Erhalten blieben vom Buchschmuck nur die Initialen mit der Verkündigung der hl. Jungfrau Maria, mit den Heiligen Philipp und Jakob aus dem Teil propria sanctorum und die Abbildung von Christus und Zachäus in der Initiale des Antiphonos O quam metuendus est locus iste zur Kirchenweihe.


Graduale: der Adventsgesang Rorate coeli.
Abbildung: Mariä Verkündigung
In derselben Werkstatt wurde auch ein Graduale illuminiert, das jetzt im Mährischen Landesarchiv Brünn (Moravský zemský archiv v Brně) aufbewahrt wird. Auch diese Handschrift ist unvollständig, sie enthält eine einzige figurale Initiale R(orate celi) auf dem Blatt 2r mit einer Darstellung Mariä Verkündigung. Der standardmäßige liturgische Inhalt beider Handschriften ist in rhombischer Choralnotierung auf 4 Linien festgehalten.

Aus beiden Handschriften wurde eine Reihe von Miniaturabbildungen herausgeschnitten, von denen acht in die graphische Sammlung des Museums der schönen Künste Budapest gelangten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass zur Sedletzer Sammlung auch die Handschrift eines Martyrologiums gehörte, welches nach seinem Aufbewahrungsort das Martyrologium von Gerona genannt wurde.


Antifonář: Kristův vjezd do Jeruzaléma.
Gerade der Meister des Martyrologiums schuf den überwiegenden Teil der Illuminationen im Sedletzer Antiphonar und Graduale. Einige weitere werden für Arbeiten des Meisters Mandevill gehalten. Es ist jedoch offensichtlich, dass in der Werkstatt mehrere Maler arbeiteten. Das Atelier war überhaupt das bedeutendste in Böhmen, es war mit größter Wahrscheinlichkeit in Prag tätig, arbeitete für den König und Angehörige des Hofes. Die Malweise dieser Künstler beeinflusste für die folgenden Jahrzehnte die Buchmalerei sowohl in Böhmen als auch in ganz Mitteleuropa.

Die überlieferten liturgischen Handschriften zeugen von der herausragenden Stellung, welche das Sedletzer Kloster noch am Anfang des 15. Jahrhundert innehatte, zu einem Zeitpunkt, da seine wirtschaftliche Lage historischen Quellen zufolge nicht allzu gut war. Sie legen Zeugnis ab von dem weiten Gesichtskreis, der Kultiviertheit und den Ambitionen des Sedletzer Abtes sowie von seinen Beziehungen zum königlichen Hof.

PhDr. Milada Studničková
CANTICA 2006. Kontakt: kafka@email.cz