GRAD
Kuttenberger Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts

Der Kuttenberger Kodex

Diese Quelle unterscheidet sich von den vorhergehenden. Sie ist etwa einhundert Jahre jünger und beinhaltet Messordinarien, die im Stil der späten Renaissancepolyphonie komponiert wurden. Diese Quelle befindet sich unter Sign. AZ 33 in den Sammlungen des Tschechischen Museums für Musik. Sie beinhaltet 261 Blätter und hat die Abmaße 57,5 x 43,5 x 8 cm. Gebunden ist sie in Pappdeckeln, die mit braunem Leder bezogen sind. Der Einband ist der späten Renaissance zuzuordnen [1, 2].

  1. Briquet č. 2122 (Augsburg 1568, Graz 1568, Praha 1572-1581, Vídeň (Augsburg) 1576), fol. 1-154
  2. Briquet č. 1245 (Praha 1577-1594, Hannover 1583), fol. 155-255
  3. Briquet č. 12463 (Praha 1560-86, Morava 1585), fol. 256-261


Anhand der Wasserzeichen wurde der Zeitpunkt der Entstehung des Papiers auf den Zeitraum von 1568-1590 festgelegt. Die Handschrift selbst entstand möglicherweise nach und nach in den siebziger bis neunziger Jahren des 16. Jahrhunderts und wurde von 2 Schreibern in weißer Mensuralnotation aufgezeichnet.

Die Quelle enthält 11 komplette katholische Messordinarien in Form eines Chorbuches. In dieser Hinsicht handelt es sich um eine in Böhmen einzigartige Quelle. Die Messen sind mit Hilfe der Parodietechnik geschrieben (unter Verwendung einer anderen, bereits existierenden Komposition – aus der eigenen Feder oder auch von einem fremden Autor), was für Kompositionen aus dieser Zeit durchaus üblich war.

Die folgende Tabelle enthält ein Verzeichnis der Kompositionen:

FolioAutorKompositionStimmenVorlage
1v-23rPhilippe de MonteMissa quinque vocum5
24v-48rPhilippe de MonteMissa super Cara la vita mia6G. de Wert: Cara la vita mia
49v-67rCharles LuythonMissa super Filiae Hierusalem 6Ph. de Monte: Filia Hierusalem
68v-86rPhilip SchöndorffMissa super La dolce vista 6Ph. de Monte: La dolce vista
87v-119rGiorgio FloriMissa super Ung jour l´amant 8O. di Lasso: Ung jour l´amant
120v-154rPhilippe de MonteMissa Confitebor tibi Domine 8O. di Lasso: Confitebor tibi Domine
155v-176rGiorgio FloriMissa super Ecco ch´io lass´il core 6anon.: Ecco ch´io lass´il core
176v-195rPhilippe de MonteMissa sine nomine 6
195v-210rPhilipp SchöndorffMissa Usquequo Domine 6Ph. de Monte: Usquequo Domine
210v-237rJacob RegnartMissa super Poi che´l mio largo pianto 6Ph. de Monte: Poi che´l mio largo pianto
237v-261rGiulio BelliMissa super Tanto tempore vobiscum sum 8G. Belli: Tanto tempore vobiscum sum

(Die Niederschriften der ersten beiden Messen geben an, dass der Komponist unbekannt ist, jedoch anhand übereinstimmender Quellen wurde als ihr Autor Phillipe de Monte bestimmt.)


Schreiberhand A - Blatt 1 v
(Ph. de Monte: Missa Septimi toni)


Schreiberhand B - Blatt 155v
(G. Flori: Missa super Ecco ch´io lass´il core)
Das Problem der Provenienz der Quelle:
Eine Inschrift auf der ersten Seite enthält Angaben über die Lokalisierung und den Donator (was bei musikalischen Quellen der damaligen Zeit nicht häufig war). In der rechten oberen Ecke steht hier in humanistischer Halbkursivschrift ein lateinischer Text folgenden Wortlauts:

"Chori Templi Diui Iacobi Majoris Gutte[n]berga. Ex dono D[omini] Sigismundi Kozel a Rey: sentol. Sacra Casara Majestatis Rei Metallica olim hic Gutte[n]berga prafecti, et postea ejusdem Reipublica Gutte[n]bergensis Primatis"

was in der Übersetzung bedeutet:
"Dem Chor der Kirche des heiligen Jakobs des Größeren in Kuttenberg. Gewidmet von Herrn Siegmund Kozel aus Rie- senthal, Schultheiß der heiligen kaiserlichen Hoheit in Kuttenberg und dann auch Bürgermeister"


Inschrift über den Stifter auf Blatt 1r


Kruchta kostela sv. Jakuba s renesančními freskami
Siegmund Kozel aus Riesenthal (1548 - 1598), ein wohlhabender Angehöriger der Stadtelite, ist vor allem als Stifter der Schule von St. Jakob bekannt. Welche Rolle er jedoch bei der Erlangung dieser Quelle spielte und wie diese nach Kuttenberg gelangte, bleibt unklar und ist Gegenstand weiterer Forschungen [1, 2].




Spätgotisches Gestühl in der St. Jakobskirche


Auch im 16. Jh. „verewigte“ man sich gern durch eingeritzte Inschriften auf dem Gestühl...

CANTICA 2006. Kontakt: kafka@email.cz
CANTICA 2006. Kontakt: kafka@email.cz